Ach, was wurde vor der Bundestagswahl nicht alles versprochen. Mehr Entlastung für die Unter- und Mittelschicht, mehr Ausgaben für Bildung, mehr Projekte und Geld für Integration. Nur Sprechblasen? Gut möglich. Zumindest die Grünen haben das vor der Wahl schon zugegeben: ihre Blasen waren auf zahlreichen Plakaten deutlich erkennbar.
Oder ist alles etwa ganz anders gewesen und es war eher eine Anspielung auf den versprochenen Höhepunkt, zu dem alle in der Region Stuttgart kommen sollten?
Apropos Sprechblasen: Mehr gab es ja eigentlich bereits, vor allem für Baden-Württemberg. Mehr Zeichen nämlich. 140 wollte die Stuttgarter Zeitung von den Bundestagskandidaten der großen Parteien als Antworten jeweils haben. Manch einer schaffte da eine Steigerung um rund ein Drittel – und den Layoutern mehr Stress beim Anpassen auf die Vorlagen. Parteienmathematik geht eben anders, das sollte der Wähler seit der Gleichung „0 Prozent und 2 Prozent gleich drei Prozent Mehrwertsteuer rauf“ ja eigentlich wissen…
„Mehr“ hätte man sich dagegen bei manchen Aussagen und Aktionen baden-württembergischer Politiker in diesem Wahlkampf ab und zu gewünscht – mehr Verstand. Kinder, die bei homosexuellen Paaren wohnen, werden später selbst schwul oder lesbisch, verkündete der Calwer FDP-Kandidat Reinhard Günther.
Unverständlich auch eine Geschichte im Wahlkreis Neckar-Zaber: hier wollte ein Wahlkampfhelfer 25000 Euro vom Grünen-Kandidaten Andreas Roll für die Organisation eines Konzertes – für 500 Stunden Arbeit. Mindestlohn von 8,50 oder 10 Euro? Damit gewinnt man doch in Zeiten ständig steigender Kosten, vor allem für Wohnen und Transport, keine Wahlen mehr…
Mehr wollte auch eine Kandidatin im Wahlkreis Ulm. Mehr Buchstaben auf dem Stimmzettel nämlich: Gestatten, Schavan, Dr. Annette Schavan. Den Titel wollte man ihr aber streitig machen, weswegen sie nun vor Gericht streitet. Eine Niederlage gab es für sie in dieser Causa aber schon jetzt: die Wähler durften den Doktortitel durchstreichen, ohne damit ihren Stimmzettel ungültig zu machen. Drei Kreuze für ein Halleluja.
Mehr hätte sich auch ein anderer CDUler gewünscht: Siegfried Kauder. Er war im Rennen um die Nominierung als Direktkandidat im Wahlkreis Schwarzwald-Baar grandios gescheitert und daraufhin als Einzelkandidat angetreten. Immerhin: er hat mehr Stimmen bekommen als der FDP-Kandidat – und um satte drei Prozentpunkte zugelegt. Trotzdem hat es für ihn nicht gereicht. Er wird aber sicher weich fallen - und andernfalls könnte er mal bei seinem Parteikollegen Steffen Bilger nachfragen, der im Wahlkampf Praktika machte und dabei unter anderem so neue Dinge lernte wie Koordination der Mitarbeiter und Verkauf.
Verloren haben aber auch andere im Land – waren die Plakate mancher Parteien deshalb so schnell verblasst, schon vor dem eigentlichen Urnengang? Bleich werden wie ein Eisberg dürften zudem einige Spitzenpolitiker von Parteien, in denen nun die heftigen Schuldzuweisungen beginnen. Oder, wie Juli-Landeschef Sebastian Gratz es zum SWR sagte: „Mit Frau Homburger ist es ein bisschen so wie mit der Titanic: Im Prinzip ein gutes Schiff. Aber wenn sie auf den Wähler trifft, geht sie unter.“
Jubel und viele Prozentpunkte gab es dagegen bei einer ganz großen Fraktion: der der Wähler, und zwar in Ludwigsburg. Dort sollen 80 Prozent der Wahlberechtigten am Sonntag ihre Stimmen abgegeben haben, verkündete das Landratsamt – das wäre der bundesweite Spitzenreiter. Nur: man hatte in der Kreisstadt einfach vergessen gehabt, 7000 von ihnen bei der Basis (sämtliche Wahlberechtigten) dazuzuzählen (dem Finanzamt wäre so etwas sicher nicht passiert)…
Das ist doch alles breitgetretener Quark, mag sich da mancher Wähler angesichts von Zahlen, Prognosen und Statistiken denken. Falsch, das da am Rand der Seite ist ein anderes Milchprodukt, das es für die Wähler gab – zumindest für die potenziellen im Wahlkreis Biberach: Joghurt. Mit echter Rief-Milch, würde die mittlerweile Ex-Landwirtschaftsministerin vielleicht diese neue Sorte anpreisen. Die Kühe wurden dazu extra mit Wahlplakaten gefüttert.
Alle anderen Wähler müssen nun, nach der Wahl, aber nicht enttäuscht sein, wenn sie solche tollen Dinge nicht bekommen haben. Denn was es für sie gibt, das hatte die Junge Union Karlsruhe schon geprobt und es wurde offenbar für gut befunden. Und auch davon gibt es nun Mehr:kel.
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